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Und Doeg, der Edomiter, wandte sich und stieß die Priester nieder, und er tötete an diesem Tag 85 Mann, die das leinene Ephod trugen. Und Nob, die Stadt der Priester, schlug er mit der Schärfe des Schwertes, vom Mann bis zur Frau, vom Kind bis zum Säugling, und Rind und Esel und Kleinvieh, mit der Schärfe des Schwertes.
1. Samuel 22,18b-19
Manche Berichte in der Bibel lassen uns innerlich erschaudern. Beispielsweise wenn, wie im oben beschriebenen Ereignis, eine ganze Stadt brutal ausgerottet wird. Und dazu ist es in diesem Fall noch eine Stadt der Priester. Wie kommt man als Mensch so weit? Warum ermordet jemand alle Priester Gottes samt ihren Familien? Diese kurze Abhandlung soll sich mit dem Mann beschäftigen, der zu dieser Tat fähig war: Doeg, der Edomiter.
Wer waren die Edomiter?
Den Edomiter sollst du nicht verabscheuen, denn er ist dein Bruder.
(5. Mose 23,8)
Als “Edomiter” wurden die Nachkommen von Esau bezeichnet, dem Bruder Jakobs. Der Name leitet sich vom Wort für “rot” ab und kommt erstmalig in 1Mo 25,30 vor. Auch das Land auf dem Gebirge Seir, in dem Esaus Nachkommen siedeln, wird Edom genannt (1Mo 36). Die Edomiter wohnen in “Felsklüften”. Ihre Festungen und Städte sind in die Felsen des Gebirges gehauen. Gott tadelt dieses Volk jedoch für seinen Übermut und Stolz (siehe das Buch Obadja).
Auf dem Weg von Ägypten in das verheißene Land Kanaan wollten die Israeliten auch das Land Edom durchziehen. Es wurde ihnen jedoch nicht gestattet (4Mo 20,21). Das führte zu Ungeduld und Murren im Volk (4Mo 21,4).
Die ersten Streitzüge von König Saul richteten sich unter anderem gegen Edom (1Sam 14,47). König David eroberte das Land der Edomiter schließlich und sie wurden zu Knechten des Volkes Israel (2Sam 8,14), später lehnten sie sich unter anderem gegen König Joram von Juda auf (2Kö 8). Später brachten dann die Götter der Edomiter dem oberflächlich gottesfürchtigen König Amazja zu Fall, der ihnen nach einem Sieg über Seir räucherte (2Chr 25).
Durch den Propheten Jeremia richtete Gott eine Gerichtsbotschaft an das Volk der Edomiter (Jer 49), ebenso durch andere Propheten (z.B. Hes 25; Mal 1).
Der Knecht von König Saul
Im Zuge des oben erwähnten Kriegszuges gegen die Edomiter durch König Saul wird vermutlich auch Doeg versklavt. Er steigt jedoch schließlich zum Aufseher über die Hirten Sauls auf (1Sam 21,8). Über diesen Mann wird in der Bibel sehr wenig berichtet. Doch während seiner Flucht vor König Saul wird David bei den Priestern in Nob von Doeg gesehen:
Es war aber dort an jenem Tag ein Mann von den Knechten Sauls, der sich zurückgezogen vor dem HERRN aufhielt, sein Name war Doeg, der Edomiter; er war der Aufseher der Hirten Sauls.
(1. Sam 21,8)
Was genau dieses “zurückgezogen vor dem HERRN” bedeutet ist unklar. Vielleicht war er abgesondert, um für religiöse Pflichten geheiligt zu werden. Ob er jedoch tatsächlich an den Gott Israels glaubte oder sich gar zu diesem Volk zugehörig sah, bleibt offen. Dieser Vers zeigt jedoch, dass Doeg in irgendeiner Weise am Gottesdienst des Volkes Israel teilnahm und auch Zeit vor dem Angesicht des HERRN verbrachte – oder verbringen musste. Ihm war bekannt, was “heilig dem HERRN” bedeutete. Doch hatte es offensichtlich keine Bedeutung für sein Leben.
Vom Verräter zum Mörder
Bei nächster Gelegenheit verriet er König Saul von dieser Beobachtung (1Sam 22,9). Das ist allerdings weder verwunderlich noch strafbar. Schließlich galt Doegs Loyalität dem König Saul. Und auch David selbst rechnete fest mit diesem Verrat (1Sam 22,22). Doch dann geschieht das, was die ganze Grausamkeit und Gottlosigkeit dieses Mannes offenbart. Saul lässt die Priester von Nob rufen und verkündete ihnen ihre Strafe:
Aber der König sprach: Du musst sterben, Ahimelech, du und das ganze Haus deines Vaters! Und der König sprach zu den Läufern, die bei ihm standen: Wendet euch und tötet die Priester des HERRN, weil auch ihre Hand mit David ist und weil sie wussten, dass er floh, und es meinem Ohr nicht eröffnet haben. Aber die Knechte des Königs wollten ihre Hand nicht ausstrecken, um die Priester des HERRN niederzustoßen. Da sprach der König zu Doeg: Wende du dich und stoße die Priester nieder! Und Doeg, der Edomiter, wandte sich und stieß die Priester nieder, und er tötete an diesem Tag 85 Mann, die das leinene Ephod trugen.
(1. Samuel 22,16-18)
Im Gegensatz zu Doeg hatten die Läufer Sauls eine gewisse Hochachtung vor den Priestern. Obwohl sie als Knechte vermutlich ebenfalls blinden und bedingungslosen Gehorsam ihrem König gegenüber gewohnt waren, wagten sie es nicht die Priester anzutasten. Sie waren schließlich dem HERRN geheiligt. Alleine diese Kleidung aus reinem weißen Leinen erzeugte diese Ehrfurcht vor den Dienern Gottes, des Allerhöchsten. Nicht so bei Doeg.
Und Nob, die Stadt der Priester, schlug er mit der Schärfe des Schwertes, vom Mann bis zur Frau, vom Kind bis zum Säugling, und Rind und Esel und Kleinvieh, mit der Schärfe des Schwertes.
(1. Samuel 22,19)
Ob dieser Angriff auf die Priesterstadt ebenfalls von König Saul befohlen war ist unbekannt. Doch die Brutalität und der Blutdurst von Doeg werden hier ganz offensichtlich. Weder Mensch noch Tier wird verschont. Er ist in dieser Hinsicht gründlicher als Saul selbst, dem früher einmal von Gott selbst eine ähnlich Ausrottung angeordnet war (vgl. 1. Samuel 15).
Die Seele eines Tyrannen
Der historische Bericht über Doeg ist in wenigen Bibelversen erzählt. Doch bekommen wir noch einen tieferen Einblick in die Seele und die Beweggründe dieses Mannes durch das Wort Gottes. David schreibt nach diesem schockierenden Ereignis einen Psalm:
Was rühmst du dich der Bosheit, du Gewaltiger? Die Güte Gottes währt den ganzen Tag.
Verderben plant deine Zunge, wie ein geschliffenes Schermesser übt sie Trug.
Du hast das Böse mehr geliebt als das Gute, die Lüge mehr, als Gerechtigkeit zu reden.
Du hast alle Vertilgungsworte geliebt, du Zunge des Truges!
Gott wird dich auch zerstören für immer; er wird dich fassen und herausreißen aus dem Zelt und entwurzeln aus dem Land der Lebendigen.
Und sehen werden es die Gerechten und sich fürchten, und sie werden über ihn lachen:
„Sieh den Mann, der Gott nicht zu seiner Stärke machte, sondern auf die Größe seines Reichtums vertraute, durch sein Schadentun stark war!“
(Psalm 52,4-9)
Dieser Psalm beschreibt die Doeg als einen “Gewaltigen” (auch: Tyrann); seine Zunge als ein “geschliffenes Schermesser”. Von der hier überlieferten Beschreibung dieses bösen Mannes möchte ich folgende Schlussfolgerungen ziehen:
- Auch angesichts der Güte Gottes, die Doeg im Volk Gottes miterleben durfte, rühmt er sich seiner Bosheit. Er liebt seinen Ruf als “Gewaltiger” (od. “Tyrann” SCH2000; lässt sich “als Held feiern” HFA).
Es scheint fast, als spotte er über die Israeliten, die Gott mit einem heiligen Wandel gefallen möchten. Er nutzt es aus und glaubt er könne sich erlauben gottlos zu handeln. - Doeg hat Gefallen daran, anderen Menschen Schaden zuzufügen. Seine “Zunge plant Verderben” und durch “Schadentun” übt er Macht und Autorität aus. Er scheint gefürchtet zu sein, ist stolz auf das bisher Erreichte (die “Größe seines Reichtums”). Er “liebt das Böse mehr als das Gute”. Er redet gerne, was Zerstörung anrichtet (“Vertilgungsworte”).
Tragischerweise überschreitet er mit dieser Bluttat wohl eine Grenze. Prophetisch spricht David in dem Psalm davon, dass Gott diesem ein Ende setzen wird. “Gott wird dich auch zerstören für immer; er wird dich fassen und herausreißen aus dem Zelt und entwurzeln aus dem Land der Lebendigen.” (Vers 7). Und die Gerechten? Die, welche Doeg so herabwürdigend belächelt hat, denen er immer wieder Schaden zufügen wollte… Die werden es sehen und sich fürchten. Ja – sie werden ihn auslachen.
Doeg war ein Mensch, dessen Herz darauf gerichtet war anderen zu schaden – ob durch Worte oder durch Taten. Und es ist schrecklich zu beobachten, wohin ein Mensch kommen kann, der diese “Gewohnheiten” entwickelt hat. Irgendwann ist einem nichts mehr heilig. Es reicht nicht mehr aus, sich auf Kosten anderer zu bereichern oder sie für die eigenen Ziele auszunutzen. Selbst vor grausamem Blutvergießen wird kein Halt gemacht. Selbst die Priester Gottes, deren Kleidung allein schon eine gewisse Würde und Heiligkeit ausdrücken sollten, können ohne Nachdenken ermordet werden. Dass er sich damit an Gott selbst vergreift, daran scheint Doeg nicht zu denken. Oder es ist ihm gleichgültig.
In unserer Zeit beobachten wir eine ähnliche Tendenz. Ich möchte niemandem etwas unterstellen. Aber in vielen Menschen hat die Selbstliebe (Egoismus) inzwischen derartige Züge angenommen, die durchaus Parallelen zu Doeg zeigen: Man ist auf den eigenen Vorteil bedacht und nimmt es dabei in Kauf, wenn jemand anderes dadurch zu Schaden kommt. Vor Lüge und Betrug wird dabei kaum Halt gemacht. Verantwortlich vor Gott fühlt sich selten jemand. Und so macht die eigene Bosheit auch vor dem “Heiligen” keinen Halt. Das betrifft den “kleinen Mann”, reicht aber bis hin zum Gesetzgeber und den Regierenden. Die Achtung vor Gott und dem, was Gottes ist, geht verloren.
Davon spricht auch der Psalm 2: “Das Toben der Nationen” ist Thema der nächsten Episode Unterwegs diktiert. Folgt uns auf Telegram (t.me/lebensworte), um sie nicht zu verpassen.
Da unterredeten sich miteinander, die den HERRN fürchten, und der HERR merkte auf und hörte; und ein Gedenkbuch wurde vor ihm geschrieben für die, die den HERRN fürchten und die seinen Namen achten. Und sie werden mir, spricht der HERR der Heerscharen, zum Eigentum sein an dem Tag, den ich machen werde; und ich werde sie verschonen, wie ein Mann seinen Sohn verschont, der ihm dient. Und ihr werdet wieder den Unterschied sehen zwischen dem Gerechten und dem Gottlosen, zwischen dem, der Gott dient, und dem, der ihm nicht dient.
(Maleachi 3,16-18)
Bibelzitate stammen aus der Elberfelder Übersetzung.