Er sandte einen Mann vor ihnen her; Joseph wurde als Knecht verkauft.
Psalm 105,17
Immer wieder dürfen wir darüber staunen, wie unterschiedlich Ereignisse bewertet werden, je nachdem wen man fragt. Die Geschichte von Joseph, dem Lieblingssohn Jakobs, der von seinen neidischen Brüdern verkauft wird, ist allgemein gut bekannt.
Aus der Sicht Josephs: Sicherlich war es die schmerzvollste Erfahrung, die er je machen sollte. Seine eigenen Brüder werfen ihn in eine ausgetrocknete Zisterne und beratschlagen über sein Schicksal. Schließlich wird er herzlos verkauft. Nach Ägypten. Weit weg vom Vater…
Aus Sicht der Brüder: Sie kamen sich wahrscheinlich barmherzig vor. Schließlich haben sie Josephs Blut nicht vergossen, obwohl das ihr ursprünglicher Plan war (1Mo 37,18). Und dennoch belastet diese Tat ihr Gewissen so schwer, dass sie sich Jahre später noch Vorwürfe machen (1Mo 42,21f.).
Aus Sicht des Vaters: Der Verlust Josephs nimmt ihm beinahe seine ganze Lebenskraft. Die kommenden Jahre verbringt Jakob in Trauerkleidung (1Mo 37,34f.).
Dieses Ereignis ist in jeder Hinsicht und für alle Beteiligten mit großem Kummer verbunden gewesen. Doch dann bewertet Gott es aus seiner Sicht: “Er sandte einen Mann vor ihnen (dem Volk Israel) her…”. Menschen können grausam sein – doch Gott behält die Kontrolle. Und er kam mit allen Beteiligten zu einem Ziel:
- Joseph lernte durch Leiden hindurch zur Herrlichkeit zu gelangen – wie später Jesus Christus selbst.
- Die Brüder lernten miteinander umzugehen, aufeinander zu achten und Verantwortung füreinander zu tragen.
- Der Vater musste lernen loszulassen von ungesunden Bindungen. Den Sohn in der Weise zu verwöhnen schadete der Familie, dem Jungen und Jakob selbst.
Wenn uns manches widerfährt, was nach unserer Einschätzung einfach nur grausam und in feindlicher Absicht erscheint – vielleicht ist gerade das eine Führung Gottes? Lasst uns still und treu auf den Herrn hoffen, wie Joseph es tat.