Messbarer Glaube?

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Als aber Jesus dies hörte, verwunderte er sich über ihn; und er wandte sich zu der Volksmenge, die ihm folgte, und sprach: Ich sage euch, selbst nicht in Israel habe ich so großen Glauben gefunden.

Was ist eigentlich Glaube? Kann man das anfassen? Oder zumindest sehen? Was bedeutet “kleiner” oder “großer Glaube”? Während seiner Wirkungszeit in Israel hatte Jesus immer wieder mangelnden Glauben zu beklagen (siehe Lk 9,41), nicht zuletzt von seinen Jüngern. Petrus wird an einer Stelle “Kleingläubiger” genannt (Mt 14,31), und Jesus fragt die Jünger bei anderer Gelegenheit schmerzvoll “Wo ist euer Glaube?” (Lk 8,25) Wer ist nun der, von dem Jesus sagte, er habe solch großen Glauben in Israel nicht gefunden?

Wie die Geschichte begann…

Nachdem er alle seine Worte vor den Ohren des Volkes beendet hatte, ging er nach Kapernaum hinein. Der Knecht eines gewissen Hauptmanns aber, der ihm wert war, war krank und lag im Sterben. Als er aber von Jesus hörte, sandte er Älteste der Juden zu ihm und bat ihn, dass er komme und seinen Knecht gesund mache.
(Lukas 7,1-3)

Die gleiche Begebenheit wird auch im Matthäusevangelium erzählt. Dort wird berichtet, der Hauptmann wäre persönlich zu Jesus gekommen. Lukas betont jedoch, dass er sein Anliegen durch die Ältesten der Juden an den Herrn herantrug. Lukas, der selbst ebenfalls kein Jude war, wusste um die Sitten dieses Volkes. Man pflegte damals gewöhnlich keinen Umgang mit “Heiden”, also Nichtjuden. Obwohl es für den römischen Hauptmann sonst kein Problem war, Gemeinschaft mit Juden zu suchen – schließlich konnte er sein Anliegen den Ältesten sagen und er war bei ihnen auch bekannt – achtete er auf diese kleine kulturelle Einzelheit. Er wollte wohl nicht das Risiko eingehen, dass er wegen so etwas hier eine Gelegenheit verpasste.

Fremd- und Selbsteinschätzung

Als diese aber zu Jesus hinkamen, baten sie ihn inständig und sprachen: Er ist würdig, dass du ihm dies gewährst; denn er liebt unsere Nation, und er selbst hat uns die Synagoge erbaut. Jesus aber ging mit ihnen. Als er aber nicht mehr weit von dem Haus entfernt war, sandte der Hauptmann Freunde zu ihm und ließ ihm sagen: Herr, bemühe dich nicht, denn ich bin nicht wert, dass du unter mein Dach trittst. Darum habe ich mich selbst auch nicht für würdig erachtet, zu dir zu kommen; sondern sprich ein Wort, und mein Knecht wird geheilt werden.
(Lukas 7,4-7)

Unter großen Teilen des Volkes Israel damals galten die Römer als “Besatzer” und “Unterdrücker”. Dieser Hauptmann jedoch schien von allen Menschen ein sehr gutes Zeugnis ausgestellt zu bekommen. Sein kranker Knecht, um den es hier hauptsächlich geht, wurde von ihm sehr geschätzt (war “ihm wert”).  In einer Gesellschaft, in der Hausknechte und Sklaven zum täglichen Leben dazugehörten, war Wertschätzung seitens der Herren (oder “Eigentümer”) sicherlich nicht die Regel. Ebenso sagten auch die Ältesten der Juden von diesem Hauptmann er wäre “würdig”, dass man ihm helfe.
Seine Selbsteinschätzung war eine ganz andere. Er wäre “nicht wert”, dass Jesus unter sein Dach tritt. Und er achtete sich auch “nicht für würdig” persönlich zu Jesus zu kommen, obwohl ihm dieses Anliegen offenbar sehr wichtig war.

Der (angewandte) Glaube des Hauptmanns

Denn auch ich bin ein Mensch, der unter Befehlsgewalt gestellt ist, und habe Soldaten unter mir; und ich sage zu diesem: Geh!, und er geht; und zu einem anderen: Komm!, und er kommt; und zu meinem Knecht: Tu dies!, und er tut es.
(Lukas 7,8)

Als römischer Soldat war der namenlose Hauptmann Gehorsam und Autorität gewöhnt. Er war Teil eines Systems, in dem man Gehorsam zu leisten schuldig war. Es gab Autoritäten über ihm, und es gab Menschen unter ihm, im beruflichen (Soldaten) und auch privaten (Knechte) Umfeld.
Dieses System von Autorität, Gehorsam und Macht wandte er nun ganz praktisch auf den Herrn Jesus an. Welche Autorität hatte dieser jüdische Rabbi? Unter welcher Macht stand er und wer musste ihm gehorchen? Seine Haltung lässt schlussfolgern, dass Jesus höher gestellt sein musste als der Hauptmann. Denn er sah sich ihm gegenüber als “unwürdig”. Doch die Autorität und Vollmacht, die der Römer dem Herrn Jesus beimaß, ging noch viel höher. Denn das, was er ihm zutraute, konnte kein Mensch. Kein General, dem er dienstlich unterstellt war, auch nicht Cäsar. “Sprich ein Wort, und mein Knecht wird geheilt werden.”
Der römische Hauptmann ging davon aus, dass der Herr Jesus auch Befehlsgewalt über Krankheit und Gesundheit hatte. Wenn er es anordnen würde – nur ein Wort – müsste auch eine Krankheit gehorchen. Dass auch Naturgewalten dem Sohn Gottes gehorsam waren, das lernten selbst die Jünger von Jesus erst einige Zeit später: “Erschrocken aber erstaunten sie und sagten zueinander: Wer ist denn dieser, dass er auch den Winden und dem Wasser gebietet und sie ihm gehorchen?” (Lukas 8,25)

Als aber Jesus dies hörte, verwunderte er sich über ihn; und er wandte sich zu der Volksmenge, die ihm folgte, und sprach: Ich sage euch, selbst nicht in Israel habe ich so großen Glauben gefunden. Und als die Abgesandten in das Haus zurückkehrten, fanden sie den kranken Knecht gesund.
(Lukas 7,9-10)

Am Ende zahlte sich aus, dass der Hauptmann dem Herrn Jesus so viel zutraute. Es kam, wie er gebeten und geglaubt hatte. Und davon ist auch abhängig, wie “groß” mein Glaube ist: Welche Autorität hat Jesus in meinen Augen?

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