Ringen mit Gott

night, moon, sky

Seid nüchtern, wacht; euer Widersacher, der Teufel, geht umher wie ein brüllender Löwe und sucht, wen er verschlinge.

1. Petrus 5,8

Ein aktives Gebetsleben zu führen sollte jedes Kind Gottes kennzeichnen. Beten ist für einen Christen so selbstverständlich wie atmen. Ein Gebet darf durch unsere Gedanken gehen, ohne dass wir uns vorher “in Stimmung” bringen müssen. Nicht immer kommt es auf die Form oder die äußere Haltung an. “Betet unablässig” (1Thess 5,17) drückt eine dauerhafte Verbindung mit unserem himmlischen Vater aus. Und dennoch ist es erforderlich, dass wir im Gebet auch “mit Gott ringen”. Besonders wenn wir uns der geistlichen “Lebensgefahr” bewusst sind, die oben stehender Vers ausdrückt.

Das persönliche geistliche Leben steht unter Dauerbeschuss. Ständig werden wir angegriffen. Und manchmal unterliegen wir diesen Angriffen und erleiden Schaden. Genauso geht es auch der Gemeinde Jesu Christi. Auch hier erleben wir immer wieder Angriffe des Feindes. Apostel Paulus warnt die Ältesten der Gemeinde in Ephesus davor, indem er sagt: “Ich weiß, dass nach meinem Abschied reißende Wölfe zu euch hereinkommen werden, die die Herde nicht verschonen.” (Apg 20,29)

Eine Begebenheit des Alten Testaments soll uns als Beispiel dafür dienen, wie man mit einer Not vor Gott umgehen und vom Herrn zum Sieg geführt werden kann.

Und Jakob sandte Boten vor sich her zu seinem Bruder Esau, in das Land Seir, das Gebiet von Edom. […] Und die Boten kehrten zu Jakob zurück und sprachen: Wir sind zu deinem Bruder, zu Esau, gekommen, und er zieht dir auch entgegen und vierhundert Mann mit ihm. Da fürchtete sich Jakob sehr, und ihm wurde angst…
(1. Mose 32,4-8)

Ringen heißt, bei sich aufzuräumen

Jakob war unterwegs nach Hause. In Gedanken holte ihn die Vergangenheit ein. Es gab da noch etwas, das ungeklärt war. Nachdem er seinen Bruder Esau betrogen hatte, schwor ihm dieser: “Es nahen die Tage…, dann werde ich meinen Bruder Jakob erschlagen.” (1Mo 27,41) Diese Feindschaft zwischen den Brüdern war nie ausgeräumt worden. Nun waren etwa zwanzig Jahre vergangen. Jakob war von Gott reichlich gesegnet worden und er erkannte das auch an (“Ich bin zu gering all der Gütigkeiten und all der Treue, die du deinem Knecht erwiesen hast; denn mit meinem Stab bin ich über diesen Jordan gegangen, und nun bin ich zu zwei Zügen geworden.” 1Mo 32,11). Doch die Schuld stand ihm immer noch vor Augen. Er betete zu Gott um Rettung (“Rette mich doch aus der Hand meines Bruders, aus der Hand Esaus! Denn ich fürchte ihn, dass er kommen und mich schlagen könne, die Mutter samt den Kindern.” 1Mo 32,12). Doch anscheinend empfing er keine Antwort.

Nun stand er am Fluss Jabbok. Dieser Name bedeutet “ausleeren”. Sollte sich Jakob von den Segnungen Gottes trennen müssen, nur um zu überleben? Sollte er sich “ausleeren”? Und Jakob tat genau das: Er räumte Schritt für Schritt auf. Zunächst trennte er sich von einem Teil seines Reichtums und sandte es in drei Wellen Esau als Geschenk entgegen.

Und er übernachtete dort in jener Nacht; und er nahm von dem, was in seine Hand gekommen war, ein Geschenk für seinen Bruder Esau: zweihundert Ziegen und zwanzig Böcke, zweihundert Mutterschafe und zwanzig Widder, dreißig säugende Kamele mit ihren Fohlen, vierzig Kühe und zehn Stiere, zwanzig Eselinnen und zehn junge Esel.
(1. Mose 32,14-16)

Außerdem teilte er sein Lager in zwei Teile:

Er teilte das Volk, das bei ihm war, und das Kleinvieh und die Rinder und die Kamele in zwei Züge. Und er sprach: Wenn Esau gegen den einen Zug kommt und ihn schlägt, so wird der übrig gebliebene Zug entkommen können.
(1. Mose 32,8-9)

Jakob schien innerlich an seinem Reichtum nicht mehr zu hängen. Es war ihm nicht mehr wichtig. So geht es Menschen oft, wenn sie dem eigenen Tod buchstäblich ins Auge blicken. Was zählt dann eigentlich noch? Im letzten Schritt trennte er sich auch von seiner Familie:

Und er stand in jener Nacht auf und nahm seine beiden Frauen und seine beiden Mägde und seine elf Söhne und zog über die Furt des Jabbok; und er nahm sie und führte sie über den Fluss und führte hinüber, was er hatte. Und Jakob blieb allein zurück…
(1. Mose 32,23-25a)

Von all dem, um dessen Erhalt er Gott gebeten hatte, war nun nichts mehr bei ihm. Jakob war all das noch nicht losgeworden, aber er hatte sich innerlich davon frei gemacht. Jetzt war er wieder allein. Genau so war er vor zwanzig Jahren auch aus der Heimat fortgezogen. Jakob hatte erkannt, dass letztendlich nichts von Wert ist, wenn das eigene Leben bedroht ist.
Es ist heilsam, wenn wir solch einen Blick auf unser Leben bekommen. Trotz aller irdischen Segnungen, die wir auch dankbar vom Herrn annehmen. Wenn ich aber vor den Toren der Ewigkeit stehe, was bleibt da? Wenn ich vor Gott Rechenschaft ablegen muss, wie stehe ich da? Wenn wir vor Gott für unser persönliches geistliches Überleben – oder das unserer Gemeinde – ringen wollen, müssen wir erst einmal alles zurücklassen, was uns ablenkt. Auch die “guten” Dinge. Alles das, was uns aus der Vergangenheit belastet, dürfen wir zum Herrn bringen. Und uns von allem trennen, was uns vom Wesentlichen ablenkt. Das müssen nicht zwangsläufig Sünden sein. Manchmal halten uns auch Dinge vom geistlichen Sieg ab, die wir bislang als Segnungen Gottes verstanden haben. Wir müssen uns innerlich “ausleeren”.

Menschlich betrachtet hatte Jakob nun also alles getan, was in seiner Macht stand. Er hatte auch um Errettung gebetet. Und doch schien ihm die Gewissheit zu fehlen, dass Gott handeln würde. Nun hatte er alles beiseite geschoben. Es blieb nur noch Jakob selbst. War das immer noch zu viel?

Ringen heißt, sich selbst zu verleugnen

Das Aufräumen sollte das Leben eines Christen ständig begleiten. Die Selbstprüfung bzw. das Achthaben auf sich selbst (1Tim 4,16), sowie das ständige Ablegen von unreinen Dingen (Jak 1,21) wird mehrfach erwähnt. Und es ist auch notwendig, das aus dem Weg zu räumen, was unsere Gebete verhindern kann. Oder sich mit Menschen zu versöhnen, die etwas gegen uns haben (Mt 5,23f.).

Aber das ist erst die Vorbereitung. Das Beispiel von Jakob macht deutlich: Wer siegen (überwinden) will, der muss manchmal auch mit Gott ringen.

Und Jakob blieb allein zurück; und es rang ein Mann mit ihm, bis die Morgenröte aufging. Und als er sah, dass er ihn nicht überwältigen konnte, da rührte er sein Hüftgelenk an; und das Hüftgelenk Jakobs wurde verrenkt, als er mit ihm rang. Da sprach er: Lass mich los, denn die Morgenröte ist aufgegangen; und er sprach: Ich lasse dich nicht los, es sei denn, du segnest mich.
(1. Mose 32,25-27)

Jakob merkt, dass dieser Ringkampf etwas Besonderes war. Hier ging es um den Segen. Sein ganzer Besitz und alles Gute, was er von Gott bisher empfangen hatte, waren nicht vergleichbar damit, worum es hier ging. Während sein Gebet vor dieser Begegnung war: “Rette mich doch aus der Hand meines Bruders”, bat er nun: “Ich lasse dich nicht los, es sei denn, du segnest mich.”

Zugegeben, wir gleichen diesem Mann oft. Jakob erinnerte sich damals an die Verheißungen Gottes. Und er schlussfolgerte, dass es Gottes Willen sein muss, ihn zu retten. Ist es nicht oft so, dass wir Gott unseren Willen vorlegen und ihn dann um Gelingen bitten? Wenn z.B. Eltern für ihr krankes Kind bitten. Es wird doch Gott auch wohlgefällig sein, wenn das Kind gesund wird, oder?

Mit Gott ringen bedeutet jedoch, dass wir unseren eigenen Willen aufgeben müssen. Das Wichtigste ist nicht, dass ich in der ein oder anderen Sache das bekomme, wofür ich bete. Es ist auch nicht das Wichtigste, dass mein Wohlstand oder mein bequemes Leben erhalten bleiben. Wichtig ist, dass Gott mich in dem segnen kann, was ich tue.
Ringen bedeutet auch, unsere Selbstsicherheit aufzugeben. Jakob verlor bei diesem Kampf buchstäblich seinen “sicheren Stand”, indem sein Hüftgelenk verrenkt wurde. Oft gehen Gottes Wege daher mit uns durch Tiefen oder Leiden. Damit wir lernen, nicht mehr auf uns selbst zu bauen. Sich auf die eigene Kraft und auf den eigenen Verstand zu verlassen verhindert oft den Segen Gottes.
Mit Gott ringen bedeutet auch, unseren Namen (= unseren Charakter) aufzugeben. Der Name “Jakob” stand für das, was diesen Mann auszeichnete: Er war ein Betrüger. Jemand, der nach seinem Vorteil suchte in allem, was er tat.
Und nicht zuletzt bedeutet im Gebet ringen, sein Leben von Gottes Plan bestimmen zu lassen. Für Jakob bedeutete es von nun an “Israel” (= Fürst / Streiter Gottes) zu heißen. Nicht mehr seine List und seine klugen Entscheidungen sollten die Richtung vorgeben, sondern er wollte dort sein, wo Gott ihm Siege schenken will.

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